(Text von Dr. Jirí Necas - Kunsthistoriker)

Bilderverkauf

Die gezeigten Bilder (so noch vorhanden) können Sie käuflich erwerben. Preise auf Anfrage.

Benutzen Sie mein Kontaktformular für Ihre Anfragen.

Gesehenes & Erträumtes

Annette Groeschkes Acrylbilder muss man aufmerksam betrachten. Sie sind still und bergen in sich mehrere Fragen. In diesen Arbeiten verbindet sich eine sehr persönlich geprägte Art malerischer Empfindsamkeit mit einer stillen und tiefen Nachdenklichkeit über den Sinn des Lebens. Vielleicht strahlen sie deswegen für manche auch eine Traurigkeit oder tiefe Melancholie aus.

Groeschke arbeitet fern von schrillen Farben, und die Themen sind nicht eindeutig nur der Natur zuzuordnen, da sie über uns Menschen sprechen. Die Farben sind mehr oder weniger aus der Natur, sprich aus der Erde. Sie haben eine dezente und gedämpfte Farbigkeit. Der Auftrag der Farbe mit Pinsel und / oder der Hand meidet krasse Unterschiede. Dadurch fließen die Farben ineinander, nie mit einer Linie begrenzt. Groeschke fühlt die Farben als Malerin, und deswegen muss sie sich nicht mit zeichnerischen Mitteln aushelfen.

Ihre Bilder haben oft auf der Leinwand eine bestimmte Haptizität. In die Acryifarben sind nämlich Lack, Sand oder Rost eingemischt. Mit diesen Mittein schafft sie auf der Leinwand eine Oberfläche, die der Natur in ihrer Struktur ähnlich ist. Ich könnte diese malerische Schicht als Makrokosmos bezeichnen.

Groeschke setzt gleichzeitig in ihre Bilder, kompositorisch ausgewogen, bestimmte Objekte hinein. Es sind Wurzelstücke, Zweige, Federn und Muscheln, um nur einige davon zu nennen. Die reinen Objekte, direkt aus der Natur kommend, befinden sich auf der Leinwand als eine mikrokosmische Ergänzung.

Wenn ich diese Zusammensetzung der Leinwand und des Objektes sehe, muss ich immer an die Musik, und besonders an die des 20. Jahrhunderts, denken. Ich frage mich, wie könnten diese Objekte in Händen solcher Komponisten wie Harry Partch oder John Cage klingen, wenn sie nach deren Methoden als neue Quelle des Klangs, oder als eine Ergänzung für schon vorhandene Instrumente, benutzt würden.

Ferner muss ich an die musique concrete denken, die komponierte und konkrete Musik kombiniert hat. Auch wenn es als eine schon ältere musikalische Methode scheinen kann, sind Spuren dieses Denkens in der Musik sogar bei jüngeren Komponisten bis heute vorhanden. Es ist dann nicht verwunderlich, wenn auch Groeschke diese Kombination benutzt.

Man könnte sagen, dass Groeschke, in ihrer langjährigen Auseinandersetzung mit der Kunst, sich der „Landschaft" widmet. Ja, es wäre eine korrekte Aussage. Nur diese Aussage hat einige „Aber". Man muss nämlich diese Landschaften als erträumte und doch existierende Landschaften benennen. Dadurch sind aber die konkreten Teile des Gebietes, in denen man zeichnet und skizziert, eigentlich ausgeschlossen und nicht wirklich dargestellt. Es geht überhaupt nicht darum, einen konkreten Ausschnitt aus der Umgebung oder aus einer Auslandsreise darzustellen. Sie sind keine topografisch korrekten Bilder. Die Landschaft ist in ihrer Ganzheit gedacht und betrachtet.

Groeschke hat sicher viele Länder bereist und gesehen. Also kann sie das alles, Gesehenes und auch Erträumtes, so weit reduzieren, dass sie zu einer universellen Aussage kommen kann.
Dazu ist aber auch nötig, das Gesehene zu vergessen und es des topografischen Hintergrundes zu berauben. Schon deshalb, weil das, was gerade gesehen ist, in einem darauf folgenden Augenblick nicht mehr das Gleiche ist.

Die Konstanten sind die Bestandteile der Natur, und wenn man sie versteht, versteht man auch die Natur, ähnlich wie mit einem logischen Satz. So ist auch die Natur in Groeschkes Bildern wahr, weil sie weiß, wie sie sein könnte, wenn sie wahr wäre.

Es ist die Landschaft an sich, die zusätzlich eine mythologische Ebene des Bezuges zu den Menschen wie auch zu der Gottheit ist. Hier, fern eines konkreten Landes auf der Erde, geschehen bestimmte Ereignisse, Sie können ganz neu sein, oder aber so alt sein wie die mythologischen Erfahrungen der Menschheit alt sind.

Sie sollen eine andere, höhere Ebene zeigen. Die Erfahrungen, Ängste, Erlebnisse und das Geistige, Spirituelle, was die Menschen in den Jahren ihrer Existenz gesammelt haben und was in uns immer sehr tief vorhanden ist. Dass in den Bildern keine menschliche Figur vorkommt, soll uns nicht täuschen. Wir wissen doch, dass wir ein Teil der Natur sind, also muss die Malerin sie dort nicht direkt zeigen, weil wir immanent ein Teil dessen sind.

So muss man es verstehen, wenn man ihre Bilder betrachtet. Die Konfrontation der Natur, die auf der Oberfläche des Bildes zu sehen ist und der Natur, die zusätzlich in Form eines Natur-Objektes eingebracht ist, wollen uns wesentlich mehr über die Natur und uns sagen. Es entsteht dadurch zwar ein Spannungsbogen auf der materiellen Ebene, die Intention der Malerin ist jedoch, die immaterielle Welt zu zeigen und auf sie aufmerksam zu machen. Ich glaube daran, dass gerade dieser Aspekt der spirituellen Welt die Kunst ausmacht. Die Malerin Groeschke ist meiner Meinung nach dafür ein gutes Beispiel.

Sie zeigt uns die Vergänglichkeit der Materie. Der Materie auf der Oberfläche des Bildes gleichermaßen wie auch des Natur-Objektes.

Sie gehören zwar zusammen, da das Objekt als pars pro toto aus der Natur eingebracht ist, aber die genauso vergänglich ist, wie die erträumte und gemalte Landschaft. Nach der Erfüllung seiner Funktion, das am meisten die Weitergabe der Lebensspende in Form eines Samens ist, verliert das Natur-Objekt seine Ursprünglichkeit und ist „degradiert" auf die Ebene eines ästhetischen Objektes, das in Opposition zur Erde steht, die seinen Samen zwar annehmen kann, aber nicht muss. Es zeigt uns auch das bipolare Geschlecht und sein schöpferisches Potenzial. Es ist im übertragenen Sinne zu verstehen.

Aber die Natur ist grundsätzlich auf das eigene Überleben bedacht, und dabei kann sie kompromisslos sein. Das ist das Logische in diesen logischen Bildern, die die Welt abbilden. Wie es Wittgenstein formulierte:

„Das Bild bildet die Wirklichkeit ab, indem es eine Möglichkeit des Bestehens und Nichtbestehens von Sachverhalten darstellt.

Was sind aber unter anderem diese Sachverhalte? Die Vergänglichkeit? Ich möchte es mit ja beantworten. Die Natur ist zwar langsamer vergänglich als der Mensch, aber auch vergänglich. Hier kommen wir zu der alten Frage der Materie und der Idee.

Wenn wir voraussetzen, dass die Materie vergänglich ist, aber die Idee nicht, befinden wir uns in einer Welt der Bilder, die uns bestimmte spirituelle Prinzipien zeigen wollen, die sich zwar in einem materiellen Zustand befinden, aber auf die immateriellen Werte zeigen. Die gemalte Welt der Welt ist aus der Welt entnommen, aber sie ist nicht mit ihr identisch. Groeschkes Malerei nimmt eine symbolische und mythologische Haltung und Handlung in Anspruch.

Heidegger formuliert es so: „Wie auch immer das Seiende ausgelegt werden mag, ob als Geist im Sinne des Spiritualismus, ob als Stoff und Kraft im Sinne des Materialismus, ob als Werden und Leben, ob als Vorstellung, ob als Wille, ob als Substanz, ob als Subjekt, ob als Energeia, ob als ewige Wiederkehr des Gleichen, jedes Mal erscheint das Seiende als Seiendes im Lichte des Seins."2)

Bei Annette Groeschke erscheint das Seiende im Lichte des Malens.

2) Heidegger, Martin, Der Rückgang in den Grund der Metaphysik, in Was ist Metaphysik?, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main, 1998, S. 7-8,